„Miaro atiala mitsinja lavitra!“
Den Wald schützen, weit blicken!
Die Wissenschaftlerin Silke Lichtenberg hat die Projektregion Maintimbato 2019 für Eben!Holz bereist und einen ausführlichen Reisebericht vorgelegt, der hier in Teilen zu lesen ist. Ergänzt werden ihre Beobachtungen durch Erklärungen zum Anpflanzungsvorgehen und den Arbeiten der vergangenen Jahre.
„Die Region ist sehr abgelegen (zwei Tagesreisen von Maroantsetra entfernt) und es gibt keine Straßenanbindung, keine Stromversorgung, keine Sanitäranlagen, keine ärztliche Versorgung und nur sehr vereinzelt einmal Handyempfang. In der Region Maintimbato leben ungefähr 2000 Menschen; sie leben meist von ihrer kleinen Landwirtschaft – hauptsächlich vom Reisanbau. […] Mein Besuch der Region Maintimbato war nur dank der Planung und Begleitung von Félix Ratelolahy (Bild 2) und seinem Team möglich.“
Félix Ratelolahy ist der Projektkoordinator des Wiederaufforstungsprojektes im ökologischen Anjanaharibe-Korridor. Sein Team bilden Severin, Patrick und Donnah (Bilder 3-5). Sie sind für die regelmäßige Arbeit und Projektumsetzung vor Ort zuständig und verbringen drei Wochen im Monat in Wiederaufforstungsgebieten oder in den Dörfern der Region Maintimbato, v.a. in Befoza, wo seit 2015 eine von Eben!Holz finanzierte Schutzhütte steht.
„Der beeindruckendste Teil meiner Reise war der Besuch der Anpflanzungs- und Wiederaufforstungsgebiete des Anjanaharibe-Korridors. Hier wird die herausragende und schwere Arbeit von Félix und seinem Team besonders deutlich. Von den Dörfern sind es nochmal weitere zwei bis vier Stunden, um überhaupt in die Gebiete des ökologischen Korridors und der Wiederaufforstung zu gelangen. Aufgrund der großen Entfernung campieren Severin, Patrick und Donnah meist drei Wochen am Stück zusammen mit ca. 20 jungen Männern der Dörfer Maintimbatos in diesen Gebieten, um Setzlinge zu pflanzen (Bild 6).“
„Der gute Gruppenzusammenhalt im Anpflanzungsteam und die Tatsache, dass inzwischen auch weitere, vor allem junge Dorfbewohner, gerne mitarbeiten wollen, ist für die weitere Entwicklung des gesamten Projektes vielversprechend (Bild 7).“
Setzlinge
Zu Beginn der Projektarbeiten wurden 30 heimische Baumarten bestimmt, die nun seit 2014 angepflanzt werden. Dazu werden und wurden die benötigten Samen in den umliegenden Waldgebieten des Makira-Naturparks gesammelt (Bilder 8 und 9). Anschließend werden sie getrocknet und zum Keimen gebracht. Die Keimlinge werden in mit Erde befüllte Plastiksäcke eingepflanzt und es werden Unterstände mit Blätterdächern gebaut, unter denen die Keimlinge zu Setzlingen heranwachsen (Bild 10). Die Setzlinge für die Anpflanzungen werden direkt in den Aufforstungsgebieten gezüchtet. Seit Projektbeginn konnten 17 weitere heimische Baumarten zusätzlich in den Pflanzkatalog aufgenommen werden.
In den Jahren 2015 und 2016 gingen die Wiederaufforstungsarbeiten besser voran als geplant. Dies war zurückzuführen auf die neu gesammelten Erfahrungen in Bezug auf die Pflanztechniken, aber auch auf die gewachsene Akzeptanz des Projektes bei den Menschen vor Ort. Über die schon gepflanzten Baumarten konnten wichtige Erfahrungen gewonnen werden in Bezug auf Art und Schnelligkeit des Wachstums sowie über die jeweiligen Anforderungen an das direkte Umfeld der Setzlinge. So konnte die mittlere Sterblichkeitsrate der Pflanzungen von 13,2% auf 9 bis 5% gesenkt werden.
Das Jahr 2017 war im Projektgebiet vor allem geprägt durch die Zerstörung, die der Zyklon Enawo im März im Nordosten von Madagaskar anrichtete. Viele Mitarbeiter der Anpflanzungen erlitten große Schäden an ihren Häusern; Zufahrten und öffentliche Plätze mussten wiederhergestellt werden, sodass die Anpflanzungen einige Monate zurückstehen mussten. Trotz dieser schweren Umstände gelang, es fast die geplante Menge an Pflanzen neu zu setzen und entstandene Schäden weitgehend zu reparieren. Teamleiter Félix und seine Mitarbeiter zeigen bewundernswertes Engagement bei der Bewältigung aller auftretenden Schwierigkeiten und Hindernisse.
Lungosa
„Eine besonders große Herausforderung ist die heimische, native, aber invasive Pflanze Lungosa (Aframomum angustifolium), wilder Ingwer, sie überwuchert innerhalb kürzester Zeit unbewaldete Flächen und wird bis zu 3 m hoch. Laut Styger et al. (2007) ist das flächendeckende Auftreten von Lungosa eine typische Erscheinung von Brachflächen nach dem dritten Mal einer Brandrodung zur landwirtschaftlichen Nutzung. (…) Sie wächst auf diesen Brachflächen so eng, dass kein Licht mehr auf den Boden kommt und sich keine anderen nativen Pflanzen oder Baumarten mehr durchsetzen können, folglich wächst dort in diesem Stadium nichts anderes mehr. Das Ökosystem kippt und dieser Zustand kann sich durch einen natürlichen Prozess nur äußerst langsam (wenn überhaupt) wieder regenerieren. Wenn der Regenerationsprozess der entwaldeten Flächen beschleunigt, bzw. wieder in Gang gebracht werden soll, muss also diese Pflanze zunächst mit der Machete entfernt werden und erst dann können die Setzlinge eingepflanzt werden.“
Da diese Pflanze bereits innerhalb von drei bis vier Monaten wieder nachwächst, muss sie in den ersten fünf Jahren nach dem Einpflanzen der Setzlinge drei bis vier Mal im Jahr wieder runtergeschnitten werden. Diese Arbeit zum Erhalt der angepflanzten Setzlinge ist also zwingend erforderlich, um einen Erfolg der Anpflanzung zu gewährleisten und erhöht den Aufwand einer Wiederaufforstung um ein Vielfaches.
Zwei Anpflanzungsarten
WCS nutzt zwei verschiedene Anpflanzungsmöglichkeiten.
Bei der ersten Variante werden Schneisen in die von Lungosa überwucherten Flächen geschnitten und die Setzlinge in langen Reihen und regelmäßigen Abständen dazwischen gesetzt (Bilder 11 und 12). Bei dieser Variante spenden die stehen gelassenen Lungosa-Pflanzen einen Halbschatten für die Setzlinge.
Bei der zweiten Variante der Wiederaufforstung werden ganze Flächen der Lungosa Pflanze runtergschnitten und die Setzlinge werden auf dieser gesamten Fläche angepflanzt (Bild 13).
Die Setzlinge sind somit der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt. Auch bei dieser Variante wächst die Pflanze wieder genauso schnell nach, wie bei der ersten Variante. Zwischen diesen in regelmäßigen Abständen platzierten Wiederaufforstungsflächen bleiben dann, bei dieser Variante, Flächen von Lungosa stehen. WCS erhofft sich mit dieser Methode ein schnelleres Wiederaufforsten größerer Flächen im gesamten Wiederaufforstungsgebiet des Korridors. Beim regelmäßigen Runterschneiden der invasiven Lungosa Pflanze muss besonders darauf geachtet werden, dass man die schon gepflanzten Setzlinge nicht verletzt.
Sensibilisierung
Ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von WCS in dieser Region ist, außer der Wiederaufforstung, die Sensibilisierung der Bevölkerung für den Waldschutz und für die Möglichkeit einer landwirtschaftlichen Anbauweise in Form von Permakultur. Unter Permakultur versteht man eine landwirtschaftliche Fläche, auf der verschiedene Nutzpflanzen auf engstem Raum zur Grundsicherung der Menschen angebaut werden. Die Integration von sogenannten „Cash Crops“ (landwirtschaftlichen Nutzpflanzen, deren Ernteerträge nicht der Selbstversorgung dienen) erhöhen die Einnahmen der Bauern deutlich, v.a. Vanille, aber auch Nelken und Kaffee. Zur Sensibilisierung hat WCS in den letzten Jahren in den verschiedenen Dörfern Schulungen angeboten.
Neben Radiosendungen zum Thema Makira-Naturpark wird mindestens einmal im Jahr eine Festivität rund um den Schutz der Regenwälder veranstaltet. So fand 2014 ein Fußballturnier in einer der anliegenden Ortschaften statt.
„Meine Teilnahme an zwei Dorfversammlungen, eine in Befoza (Bilder 14-16) und eine in Ambodimagahely, ermöglichte es mir mit den Dorfbewohnern ins Gespräch zu kommen. Die zentrale Rolle des Waldes für die Menschen wurde in diesen Gesprächen immer wieder deutlich. Für den Bau ihrer Hütten und Möbel sind sie insbesondere auf Holz aus dem Wald angewiesen – bevorzugt wird auf Grund der langen Haltbarkeit unter den dortigen Klimabedingungen Palisanderholz verwendet. Die Nutzung geschützter Baumarten, wie Palisander, und die Bedrohung ihrer Bestände, steht vor Ort in einem anderen Verhältnis, wenn man sich die einfachsten Lebensbedingungen der Menschen dort anschaut und realisiert, dass sie dort eigentlich gerade einmal ihre Grundbedürfnisse decken können.“